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Europa hätschelt seine Mörder v. Ulrich W.Sahm
Europa hätschelt seine Mörder v. Ulrich W.Sahm
Europa hätschelt seine Mörder
ein Meinungsbeitrag von Ulrich W. Sahm14. Januar 2015 - AudiaturOnline - Meinung & Analyse : International, Neuste Beiträge
Das Herz der grossen Nation steht still. Zwei Millionen Menschen säumen die Strassen von Paris. Regierungschefs vieler befreundeter Länder gedenken in einem separaten Trauerzug der Opfer des Terrors. Plötzlich kommt Unruhe in die feierliche Prozession. Rücksichtslos wie ein freches Kind, dem niemand je Manieren beigebracht hat, drängelt sich ein Herr im Grossvateralter nach vorne. Und Mahmud Abbas, das verzogene Nesthäkchen der Völkerfamilie, wird in der ersten Reihe mit mütterlichem Lächeln empfangen. Auf der anderen Seite gibt es freilich auch Gedränge. Netanjahu wie Sarkozy überlisten das Protokoll und stehen plötzlich der ersten Reihe.
Diese wenigen Eindrücke sind beispielhaft für die Infantilisierung Europas im Umgang mit Terror aus dem arabischen Raum. Baskische Separatisten, Kämpfer der IRA oder gar die Baader–Meinhof-Bande wurden von Anfang an als ernst zu nehmende Gegner wahrgenommen. Doch von Seiten der Politik und der Presse behandelte man die schlimmsten Mordanschläge, die im Namen des Islam verübt wurden, und ihre bejubelte Verherrlichung durch arabische Diktatoren seit Jahrzehnten mit der liebevollen Nachsicht überängstlicher Eltern. Man wollte nicht wahrhaben, dass aus dem niedlichen Kleinkind ein ausgewachsener Tyrann geworden ist.
Arabischen oder islamistischen Terror gibt es seit 1968 in Europa. Begonnen hatte es mit Flugzeugentführungen. Doch schon damals wurden die Terroristen umgehend freigelassen oder Lösegelder gezahlt. Laila Khaled gelang es sogar zweimal, ein Flugzeug unter ihre Gewalt zu bringen. Heute wird sie als Heldin in Südafrika herumgereicht. Die Attentäter und Mörder der Olympischen Spiele in München 1972 – drei von acht Attentäter konnten überwältigt werden -, kamen ebenfalls relativ bald wieder frei danke einer Flugzeugentführung aus Beirut. Und so geht weiter bis heute.
Die Europäer weigern sich, die Gefahr beim Namen zu nennen. Der IS (Islamische Staat) finanziert sich teilweise durch heimlich oder offen gezahlte Lösegelder für europäische Geiseln. Die Terroranschläge in Frankreich, auf die Journalisten von Charlie Hebdo, auf den jüdischen Supermarkt „Hyper Cascher“, sowie auf Polizisten, haben noch andere Schwächen der Europäer offenbart. Die Überwachung der Verdächtigen und „Schläfer“ im Vorfeld der Anschläge wie auch während der Aktion erwies sich als mangelhaft. Das hängt mit der europäischen Ablehnung von Abhörmethoden, wie sie bei den Amerikanern, den Israelis und wohl auch in Russland und anderen Ländern üblich sind. Stichworte sind die NSA und natürlich Edward Snowden. Während die Amerikaner ihn als Hochverräter sehen, wird er in Europa als Enthüller krimineller Machenschaften gefeiert. Für den amerikanischen und andere Geheimdienste hat er enormen Schaden angerichtet. Die Quittung dafür haben unter anderem jetzt die Franzosen erhalten. Konkrete Warnungen der Amerikaner zu den Kouachi-Brüdern haben sie angeblich in den Wind geschlagen. Auch wenn es gewiss überflüssig und bestimmt nicht „fein“ war, sogar das Handy von Angela Merkel abzuhören, sollte man bedenken, dass Al Qaida, der IS und andere Organisationen noch schmutzigere Methoden anwenden, um ihre Opfer vor einem brutalen Anschlag auszukundschaften. Selbst im Rahmen der einschränkenden Gesetze westlicher Demokratien hätte Frankreich mehr tun können, wie inzwischen der französische Premierminister Manuel Valls eingestanden hat.
Im versöhnungssüchtigen und dialogfreudigen Europa wird auch gerne übersehen, dass man sich mitten in einem Krieg befindet. Ob der Gegner „der Islam“ heisst, „Islamisten“, „islamistische Terroristen“ oder „nur“ hetzende Imame in der Moschee nebenan, Organisationen wie Hisbollah, Hamas, IS oder Al Nusra, ist nur eine Frage der Sprachregelung. Das mögen künftige Generationen entscheiden. Tatsache ist, dass einige dieser Organisationen dem „dekadenten“ Westen und bestimmten Ländern in Europa offen den Krieg erklärt haben. So zu tun, als gäbe es keinen Krieg während, im wahrsten Sinne des Wortes, die Köpfe rollen, mehr Menschen auf der Flucht sind als nach dem Zweiten Weltkrieg und hunderttausende „Ungläubige“ ermordet werden, ist eine Vogel-Strauss-Politik.
In Frankreich galt der Angriff Journalisten und Juden. Am 11. September 2001 in New York, in London, Madrid und in Israel richteten sich die Anschläge gegen beliebige Zivilisten. In jedem Fall handelte es sich um geplanten Mord und nicht um Kavaliersdelikte. Für Mord gibt es keine mildernden Umstände. Im Krieg müssen die Gegner ernst genommen und auch die entsprechenden Gesetze geschaffen werden. Das Argument, dass wir dem Ziel der Extremisten mit „Normalität“ trotzen müssten, ist längst widerlegt. Weltweit haben wir uns seit Jahren dem Terror und der Einschränkung unserer Freizügigkeit gebeugt: Bei den Sicherheitskontrollen an den Flughäfen ist jeder von uns ein potentieller Terrorist.
Es gibt keine Patentrezepte
Die Israelis sind bekannt dafür, Erpressung grundsätzlich abzulehnen. Dennoch erwiesen sich selbst die Israelis in der Vergangenheit als durchaus erpressbar, wenn es um die Befreiung von Geiseln ging. Sie zahlten angeblich kein Geld, amnestierten aber Tausende palästinensische Gefangene, darunter die schlimmsten Massenmörder. Damit hat Israel nicht nur das eigene Rechtssystem aus den Angeln gehoben. Diese Freilassungen haben radikale Organisationen wie die Hamas motiviert, weitere Israelis zu kidnappen, wie im Juni geschehen. Das hatte nicht nur den Tod der drei entführten Jugendlichen zur Folge, sondern auch den Gaza Krieg im Juli entfesselt. Eine eindeutige Antwort auf die moralische Frage, Geiseln dem Tod zu überlassen, Härte zu zeigen, Lösegeld zu zahlen oder Gefangene freizulassen, so den Tod weiterer Unschuldiger und sogar einen Krieg zu riskieren, lässt sich kaum beantworten.
Abschliessend eine kleine Empfehlung. Europa sollte das israelische Modell genauer prüfen. In Frankreich gelten 6 Millionen Muslime aus dem Maghreb als Bürde und Gefahr. Das sind etwa 10% der Bevölkerung. Im Staat Israel leben unter 8 Mio. Einwohnern etwa 1,2 Mio. Muslime. Das sind 20% der Bevölkerung. Und obgleich Israel einen unerbittlichen Krieg gegen Terror, gegen die Hisbollah, die Hamas und andere Gruppierungen führt, immer noch kein Friedensvertrag mit den Palästinensern jenseits der „Mauer“ geschlossen hat, leben die israelischen Araber relativ friedlich mit der jüdischen Mehrheit zusammen. Mehr noch. Man findet Araber in sehr exponierten Positionen im Staat Israel. Es gibt drei arabische Parteien in der Knesset, Drusen haben hohe Ränge in der Armee erlangt. Es war ein arabischer Richter, der einen ehemaligen israelischen Staatspräsidenten wegen sexueller Vergehen ins Gefängnis geschickt hat. Krieg gegen Terror und speziell islamistischen Terror führen zu müssen, bedeutet keineswegs, alle muslimischen „Mitbürger“ unter Generalverdacht zu stellen. Europa sollte lediglich lernen, auch den Muslimen auf Augenhöhe zu begegnen und den Rassismus der Kolonialzeit hinter sich lassen. Die arabische Welt ist erwachsen und jeder mündige Mensch ist für seine Taten selbst verantwortlich – im Guten, wie im Bösen.
© Ulrich W. Sahm
Quelle: Audiatur-Online.ch
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